Wenn Sie sich in einer Bar einen Whisky, Rum oder Cognac bestellen, werden diese Spirituosen meist in Zimmertemperatur serviert. Andere Spirituosen wiederum, wie zum Beispiel Vodka oder Korn werden eher kalt getrunken. So wie es für jede Spirituose das passende Glas gibt, um Aromen besser zur Geltung zu bringen, gibt es eine ideale Trinktemperatur für unterschiedliche Spirituosen. Aber wie genau wirkt sich die Temperatur einer Spirituose auf die Aromen und das Geschmackserlebnis aus? Welche Spirituose sollte mit welcher Temperatur getrunken werden, um das bestmögliche Geschmackserlebnis zu erhalten?
Wahrnehmung von Aromen
Das Wort „Aroma“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Parfum“, „Gewürz“ oder „Duft“. Ein Aroma entsteht aus dem Zusammenspiel von Geschmacks- und Geruchssinn. Verantwortlich dafür sind die sogenannten „Aromastoffe“. Hierbei handelt es sich um organische Moleküle, die durch ihren gasförmigen Zustand an die entsprechenden Rezeptoren auf der Zunge bzw. in der Nase anbinden. Treffen die Moleküle auf die Rezeptoren, wird ein bestimmter Reiz ausgelöst. Die Mischung dieser Moleküle erzeugt nach der Weiterleitung des Reizes und der Verarbeitung im Gehirn die Aromawahrnehmung. Atmen wir bspw. beim Verkosten einer Spirituose über den Rachen ein, so werden die Aromastoffe im Rachenraum erwärmt und gelangen mittels der Rachen-Nasen-Verbindung zu den Rezeptoren in der Nase. Hier binden die Aromastoffe an die Rezeptoren an und lösen den Reiz aus, der zur Verarbeitung an unser Gehirn weitergeleitet wird. Die Nase kann über 200 verschiedene Gerüche unterscheiden, wohingegen die Zunge nur die klassischen fünf Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, bitter und umami wahrnimmt.
Entfaltung oder Reduzierung von Aromastoffen erwünscht
In Spirituosen sind neben Wasser und Ethanol vielfältige Aromastoffe enthalten. Diese werden bei der Herstellung mit Hilfe der Destillation aus den verwendeten Zutaten isoliert. Beeinflusst werden die Aromastoffe wiederum durch die Trinktemperatur. Jede Spirituose schmeckt daher bei verschiedenen Temperaturen immer wieder anders. Warum ist das so? Wärmere Temperaturen zwischen 16 °C oder 22 °C führen dazu, dass sich bestimmte Aromastoffe wie Ester oder Fuselöle in der Spirituose besser entfalten oder „öffnen“ können. Beim Whisky profitieren z. B. süße, malzige oder torfige Aromen von der warmen Trinktemperatur. Wird der Whisky in der Hand angewärmt, verdunsten durch die zugeführte Wärmeenergie die Aromastoffe schneller und gelangen dadurch in die Luft. Diese Entfaltung ist bei einigen Spirituosen daher durchaus erwünscht. Die auf diese Weise „geöffneten“ Aromastoffe des Whiskys gelangen dann in die Nase zu den Rezeptoren. Hier wird der Reiz ausgelöst und im Gehirn in die Aromawahrnehmung übersetzt. Das Gegenteil passiert mit Aromastoffen bei kälteren Temperaturen. Bei Temperaturen von 4 °C bis 10 °C werden sie „eingeschlossen“. Das heißt: Die Aromastoffe werden daran gehindert, sich von der Flüssigkeitsoberfläche zu lösen und zu verdunsten. Dies hat vor allem bei unerwünschten bitteren Aromastoffen einen Vorteil. Bei Korn oder Vodka tritt z. B. der Alkoholgeschmack in den Hintergrund. Da sich weniger Moleküle ausbreiten können, nehmen wir in gekühlten Spirituosen den scharfen Alkoholgeruch in abgeschwächter Form wahr.
Geschmackswahrnehmung ist temperaturabhängig
Durch die unterschiedliche Temperatur schmecken Spirituosen immer wieder anders, denn die Aromastoffe werden je nach Temperatur „eingeschlossen“ oder „geöffnet“. Aber nicht nur die Aromastoffe an sich haben einen Einfluss auf das Geschmackserlebnis. Am intensivsten schmecken wir in einem Bereich von 20 °C bis 35 °C. Hier werden die meisten Moleküle in Reize übersetzt. Verschiedene Hypothesen gehen davon aus, dass diese Tatsache evolutionsbedingte Gründe haben könnte. Denn seit Anbeginn der Zeit – ohne Kühlschrank und künstlich erzeugte Wärme – war die Temperierung der Lebensmittel von der Außentemperatur abhängig. Sicher ist, dass unsere Geschmacksinne temperaturempfindlich sind. So schmecken wir „süß“, „salzig“ oder „sauer“ bei warmen Temperaturen intensiver. „bitter“ wird hingegen bei kälteren Temperaturen intensiver geschmeckt. Im Beispiel von kalt servierten Spirituosen wie Vodka oder Korn trägt das „Einschließen“ der Aromastoffe zum bestmöglichen Geschmackserlebnis bei. Temperatur ist ein bestimmender Faktor, wenn es um Aromastoffe und die Geschmacksintensität geht. Am Ende bedingt ebenso das eine das andere.
Am Ende ist es immer eine Frage des Geschmacks
Alle Spirituosen haben eine Temperatur, bei der sie sich am wohlsten fühlen und ihr volles Geschmackspotenzial entfalten können. Dennoch ist Geschmack für jeden immer noch subjektiv: So schmeckt dem einen der Whisky oder Rum bei Zimmertemperatur am besten, für den anderen darf es hingegen mit ein wenig Eis auch etwas kühler sein. Denn wie auch ein bekanntes Sprichwort sagt: „Über Geschmack lässt sich bekanntlich immer streiten“.